Junge Helden des KJVD

Kate Niederkirchner

Käte Niederkirchner ist durch eine schwere, gute Schule gegangen. Ihr Großvater, aus einer Familie von in Ungarn ansässigen Deutschen stammend, war Steinbrucharbeiter gewesen. Kätes Vater, ein Rohrleger, und ihre Mutter, eine slowakische Tagelöhnerin, die weder lesen noch schreiben konnte, waren nach Deutschland übergesiedelt. Michael Niederkirchner war schon in Partei und Gewerkschaft tätig gewesen, als ihn der erste Weltkrieg zum Soldaten machte. Später war er stolz darauf, daß er niemals auf einen Menschen geschossen hatte in diesem Krieg, den die Feinde der armen Leute in allen Ländern entfacht hatten. Die Kinder waren noch ganz klein, als Kätes Mutter Granaten drehen mußte und der Vater in russische Kriegsgefangenschaft geriet; aber schon in den Leiden der Eltern lag ein großes Stück Schule für die Kinder beschlossen. Der Vater lernte während der Gefangenschaft die russische Bolschewiki kennen. Als die Revolution ausbrach, agitiert er unter seinen Mitgefangenen für die Ziele der russischen Revolution: Frieden und Brot allen denen, welchen die bisherigen Machthaber im Massaker und Hunger zugedacht hatten. Michael Niederkirchner sah die Partei Lenins am Werk, von Mangel und Chaos, von weißen Armeen und Epidemien bedroht, aber unbeirrbar. Er begriff für sein ganzes Leben die Überlegenheit dieser Menschen über das wohlorganisierte, selbstzufriedene Kompromißlertum westeuropäischer Sozialdemokraten, die in Bankrott und Schande endeten. Darum fand nach seiner Rückkehr schnell den Weg über die Unabhängigen zu den Kommunisten. Die Lehre gab er an seine Kinder weiter.

Käte Niederkirchner ging den Weg, der den Kindern in klassenbewußten Arbeiterfamilien vorgezeichnet war. Sie trat in eine Kindergruppe ein und später in den KJVD. Sie war zart, sensibel, liebte das Schöne, aber ohne Melancholie und Einzelgängertum. Sie trieb gern Sport und sang zur Laute. So wurde sie Funktionärin im Arbeitersportverein "Fichte", dem sie jahrelang einen großen Teil ihrer Kraft widmete. Der Vater gab den Kindern die Bücher in die Hand, die sie lesen sollten: Tolstoi, Gorki, Jack London. Käte wußte bald den halben Heine auswendig - nicht nur das "Wintermärchen" und "Atta Troll" und sogar Stücke aus den "Reisebildern", sondern auch das "Buch der Lieder" -, so wie sie später die großen Gedichte Majakowskis vor den Freunden rezitierte. Ihre besondere Liebe gehörte den Gefängnisbriefen von Rosa Luxemburg. Sie wußte noch nicht, daß sie den Weg Rosa Luxemburgs gehen würde; aber ein Revolutionär, schien ihr, müßte sein wie Rosa: unerbittlich und flammend und den Menschen zugetan wie sie und zugleich vertraut mit Blumen und Vögeln und den Liedern und Gedichte der Klassiker.

Michael Niederkirchner erzog seine Kinder zu Klassenkämpfern; aber er hatte Grund, ihnen nahezulegen, sich nicht von der Polizei ertappen zu lassen. Die Niederkirchners, Auslandsdeutsche und seit langem wieder in Deutschland ansässig, waren immer noch ungarische Staatsangehörige. Ihre Anträge auf Einbürgerung waren regelmäßig abgewiesen worden; der Ausweisungsbefehl war schon paarmal ergangen. Michael Niederkirchner war seit 1927 einer der engsten Mitarbeiter und Mitglied des Zentralkomitees.

Als Käte im Herbst 1932 während des Berliner BVG-Streiks bei einer Rede in einer Frauenversammlung verhaftet wurde, war Hitler schon beinahe der Macht. Diesmal wurde sie endgültig ausgewiesen. Sie vermied das damals faschistische Ungarn und kam in die Sowjetunion, wo sie später ihre Familie wiedertraf.

Sie war in das Land gekommen, von dem sie seit ihrer frühesten Jugend wußte, daß es das beste sei, die Hoffnung der Menschheit, das Land, in dem sich die echte Liebe zu allen Vaterländern noch einmal in einem Spektrum versammelt und erhöht. Weil Käte Niederkirchner Deutschland liebte, liebte sie die Sowjetunion mit aller Kraft. Das Land gab ihr Sicherheit, Arbeit in ihrem Beruf - sie hatte für einen Schneiderberuf übrigens nie viel übrig; aber sie hatte ihn erlernt, weil der Vater gewünscht hatte, daß jedes seiner Kinder ein Handwerk lernen sollte. Das Land gab ihr vor allem die Möglichkeit lernen. Käte Niederkirchner nutzte die Jahre der Emigration gut.

Sie studierte den Marxismus-Leninismus von Grund auf und vervollständigte ihre Bildung auf vielen Gebieten. Als die Horden Hitlers in die Sowjetunion einbrachen, wußte sie, daß die Zeit gekommen war, da sie diesem Land mit der Tat zu danken hatte für alles, was es ihr gegeben hatte, was es ihr und allen wahrhaften Patrioten bedeutete. Sie bat darum, mit dem Fallschirm über dem Hinterland der Faschisten abspringen zu dürfen. Mit Zähigkeit beharrte sie bei ihrem Wunsch gegenüber allen Überredungsversuchen ihrer Angehörigen und Genossen. Der Vater legte seinem Kind, das er über alles liebte, die Frage vor, ob es sich auch für die äußerste Bedrängnis stark genug fühle. "Ja!" sagte Käte.

Eine Woche hindurch, wird erzählt, kreiste ihr Flugzeug über dem verabredeten Landungsplatz, Nacht um Nacht, und jedesmal mußte es mit ihr zum Startplatz zurückkehren. Käte zeigte in diesen quälenden Tagen einen Gleichmut, der sie auch später auszeichnete. Eines Nachts dann, beim Auftauchen des erwarteten Lichtsignals, sprang sie ins Dunkel. Sie kam nicht weit. Auf dem Weg nach Berlin wurde sie verhaftet. Das war im Herbst des Jahres 1943. Fast ein Jahr lang ertrug sie fürchterliche Foltern, ohne mehr preiszugeben als ihren Namen. Während dieser Zeit unternahm sie einen Selbstmordversuch, weil sie glaubte, nicht weiter durchhalten zu können. Aber sie wurde "gerettet", und sie fand die Kraft, die sie sich nicht mehr zugetraut hatte, bis zum Ende. Mitgefangene aus dein Konzentrationslager Ravensbrück, in das man sie schließlich gebracht hatte, berichteten: "Die Gestapo versuchte mit allen Mitteln, aus der Genossin Niederkirchner etwas herauszubringen, was ihr aber nicht gelungen ist. Genossin Niederkirchner hat sich glänzend gehalten und ist gegenüber den furchtbaren Methoden der Gestapo standhaft geblieben."

Käte Niederkirchner fürchtete sich nur davor, daß ihr Vater nicht die Wahrheit über ihre Standhaftigkeit erfahren würde. Aus dem Bunker schreibt sie an eine Freundin im Lager: "Heute will ich Abschied nehmen, von meinen Lieben. Ich habe eine Ahnung, daß ich nicht mehr lange hier sein werde. Meinem lieben, teuren Vater müßt ihr sagen, daß ich ihm keine Schande gemacht habe. Ich habe niemanden verraten. Meine Gedanken sind ständig bei ihm."

Aber die Zeugen haben ihre Botschaft noch übermitteln können: "Wir Ravensbrücker Kommunistinnen haben den Weg unserer Genossin Niederkirchner verfolgt und sagen ihrem Vater, Genossen Michael Niederkirchner, daß er auf seine Tochter stolz sein kann - wir alle trauern mit ihm um seine Tochter; sie war eine tapfere Genossin und ein seltener Mensch... "

Wenige Stunden vor der Erschießung kann Käte noch einen Zettel aus dem Bunker: "Ich hätte doch so gern die neue Zeit erlebt. Es ist so schwer, kurz vorher gehen zu müssen..."

Aus der Tiefe des Volkes ist Käte Niederkirchner gekommen. In Mitte des Volkes kehrte sie zurück. Dort leuchtet ihr Name.

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